Für die perfekte Partnerwahl gibt es keine Patentrezepte. Denn jeder Hund ist eine ganz eigene Persönlichkeit, und die hat wiederum sehr viel mit der des Halters zu tun. Für eine ideale Verbindung ist es aber wichtig zu wissen, was es mit den verschiedenen Hundetypen und Rasseklischees auf sich hat.
Schenken wir den Rassebeschreibungen Glauben, so scheinen Wesen und die besonderen Eigenschaften eindeutig zu sein. So heißt es gerne, Golden Retriever, Berner Sennenhunde oder Eurasier wären die perfekten Familienhunde. Der Border Collie dagegen super schlau, der Australian Shepherd ein Workaholic, Dalmatiner echte Sportskanonen, Mops & Co. eherCouchpotatoes. Anfänger seien mit Pudel oder einem Cavalier King Charles Spaniel bestens beraten. Zudem gibt es noch einige Pauschalaussagen, die da lauten: Hündinnen sind leichter zu handhaben als Rüden, Tierschutzhunde alle verkrachte Existenzen, kleine Hunde gehören in die Stadt und große in ein Haus mit Garten. Und nicht zu vergessen: Mit einem Welpen ist alles ganz einfach und der vollkommene Hunde gelingt garantiert.
So könnte es jetzt endlos weitergehen. Auf der Suche nach dem geeigneten Vierbeiner versprechen Online-Tests, mit ein paar Fragen und Klicks den idealen Begleiter ausfindig zu machen. Die Auswertungen hingegen haben meist eher Unterhaltungswert und sind teilweise wirklich skurril. Der Boston Terrier scheint seltsamerweise immer zu passen. Gerne auch der Chihuahua, wenn ein Wachhund gesucht wird. Folglich müsste der perfekte Partner doch schnell zu finden sein, oder?
Nicht alles ist genetisch vorhersebar
Aussehen, Fell, Größe und Gewicht des Hundes einer Rasse geben zunächst einmal Aufschluss über einen geeigneten Kandidaten. Auch ist es in gewissem Maße sinnvoll, den „Verwendungszweck“ als Kriterium in die Waagschale zu werfen. Sei es der Begleiter zur Jagd, der Wachhund für Haus und Hof oder der Sportkamerad. Soll es aber nur ein geselliger Gefährte sein, wird es schon schwieriger. Leider ist die Realität nichtso wie die Züchter uns das vermitteln.
Die Erklärung dafür liegt in der Erblichkeit. Sie beschreibt die genetischen Einflüsse auf die Variabilität. Bei der Grundpersönlichkeit eines Lebewesens liegt diese bei etwa einem Drittel, bei den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen sowie den verschiedenen Verhaltenseigenschaften zwischen unter 10 und maximal 25 Prozent. Das erklärt zum Beispiel, warum es passieren kann, dass der gewünschte Jagd- oder Apportierhund nichts von seinen vermeintlichen Fähigkeiten weiß. Hinzu kommt, dass viele Rassen auf Schönheit und nicht auf Gesundheit und Wesen gezüchtet werden. Je höher die Nachfrage nach einem bestimmten Modehund, umso mehr wird gezüchtet. Die hohe genetische Belastung und das Inzuchtniveau beeinträchtigen die Lebensqualität der Vierbeiner erheblich. Entsprechend groß sind auch die vorprogrammierten Probleme, Verhaltensauffälligkeiten inklusive.
Persönlichkeit muss sich erst formen
Für Persönlichkeitsmerkmale wie beispielsweise Lebhaftigkeit, Furchtlosigkeit, Neugier oder Geselligkeit gibt es eine gewisse genetische Basis, aber die eigentliche Persönlichkeit nebst individuellen Eigenschaften formt sich erst durch die Interaktion mit der Umwelt. Das schließt alle Lernerfahrungen und die Erziehung mit ein. Ebenso spielen die epigenetischen Einflüsse durch die Erfahrungen der Elterntiere, der Qualität des Lebensraumes, der Fürsorglichkeit der Mutterhündin und viele weiteren eine wesentliche Rolle – nicht zuletzt der Einfluss des Halters.
Wenn der Hund ein A-Typ ist
Unverkennbar sind sich Mensch und Hund in gewisser Weise ähnlich. Gemeint ist nicht die äußere Übereinstimmung, sondern vielmehr die der zwei Grundpersönlichkeiten, beeinflusst durch das nicht willentlich kontrollierbare vegetative Nervensystem, den Sympathikus und den Parasympathikus. Erster steuert Aktivität, Angriff und Flucht, der Gegenspieler, auch Vagus genannt, sorgt für Ruhe und Erholung.Bei den Hunden gibt es demzufolge den wagemutigen, neugierigen, proaktiven und mit viel Tatendrang ausgestatteten A-Typen. Dieser kühne Charakter versucht mit seinem aktiven Adrenalin-Noradrenalin-Stresssystem Probleme durch Kampf oder Flucht zu lösen. Salopper formuliert könnte er als kopflos, schnell überfordert, ungeduldig, übermotiviert und hektisch bezeichnet werden. Etwas planlos stürzt sich dieser Typ in bestimmte Situationen, versucht beispielsweise beim Erstkontakt mit Artgenossen die Oberhand zu gewinnen, lässt sich schnell erhitzen, aber auch ebenso schnell wieder runterfahren. Stressbedingt sind diese Hunde oft untergewichtig. Der Terrier beispielsweise entspricht oftmals diesem Wesen. Kleiner Hund – ganz groß!
B-Typen sind eher scheu
Innerhalb einer Rasse kann es aber durchaus beide Grundstresstypen sowie unterschiedliche Ausprägungen davon geben! Dennoch werden Neufundländer oder Bulldoggen oft mit dem B-Typ assoziiert. Dieser ist scheu, zurückhaltend und eher reaktiv. In Konflik
tsituationen reagiert er zögerlich, und im Extremfall tut er gar nichts. Er ist ein Meidestratege, der sich lieber aus Streitigkeiten heraushält und das Geschehen aus der Ferne beobachtet. Grundsätzlich ausgeglichener und etwas schwerfälliger neigt dieser zurückhaltende Typ durch die Verknüpfung mit dem Kortisolsystem unter Dauerstress zu Übergewicht.
Die fünf Persönlichkeitsachsen des Hundes
Neben den beschriebenen Grundcharakteren lassen sich mit dem Fünf-Faktoren-Modell aus der Humanpsychologie weitere Persönlichkeitsmerkmale beim Hund klassifizieren.
1.Emotionale Stabilität: Wie verhält sich der Vierbeiner in stressigen Situationen? Bleibt er cool, oder lässt er sich schnell aus der Ruhe bringen? Ist er entspannt oder unsicher, ängstlich, gehemmt und zeigt wenig Selbstbewusstsein?
2. Offenheit für neue Erfahrungen (Trainierbarkeit): Ist der Hund Neuem gegenüber aufgeschlossen und begeisterungsfähig, oder hält er sich im Gegenteil tatenlos zurück? Wie clever ist die Fellnase?
3. Geselligkeit: Liebt Bello das Spiel und die gemeinsamen Aktivitäten sowohl mit seinesgleichen als auch dem Menschen, oder verhält er sich schüchtern, gar misstrauisch?
4. Extrovertiertheit: Wie nimmt er seine Umwelt wahr? Ist er erkundungs- und kontaktfreudig und liebt die Aufregung, oder ist ihm mehr nach Rückzug und Ruhe zumute?
5. Gewissenhaftigkeit: Kann sich der Vierbeiner ausdauernd mit einer Aufgabe beschäftigen? Wie konzentriert und beharrlich ist er bei der Sache?
Natürlich gibt es noch viele weitere relevante Verhaltensmerkmale wie stur, frustriert, übermäßig wachsam bis hin zu depressiv. Die Forschung bezieht sich jedoch vorrangig auf die zuvor aufgezählten, auch weil sie sich wunderbar mit dem Menschen vergleichen lassen.
Stimmt das: Gleich und gleich gesellt sich gern?
Das mag auf den ersten Blick richtig erscheinen, gibt es doch schließlich die beiden Grundstresstypen übereinstimmend bei Hunden wie Menschen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Stellen Sie sich doch mal zwei fast explodierende A-Typen im täglichen Miteinander vor. Wer bringt diese Hitzköpfe wieder in die Entspannung? Oder leben zwei träge B-Typen zusammen, wer holt sie vom Sofa? Der Idealfall ergänzt sich. Dies zeigen übrigens vielfach die Wölfe. Die Elterntiere bilden eine Einheit aus beiden Typen. Aber keine Sorge, ein kontaktfreudiges und sportbegeistertes Frauchen oder Herrchen muss sich keine scheue Schlaftablette ins Haus holen. Das könnte ins Auge gehen. Oder doch nicht?
Aktuelle Forschungsergebnisse von William J. Chopik von der Michigan State University USA zeigen, dass Hunde und ihre Halter einige Charaktereigenschaften teilen. Das Erstaunliche aber ist, dass auch die Vierbeiner im Laufe ihres Lebens bis zu einem gewissen Maße ihre Persönlichkeit verändern können. Was nicht bedeutet, dass aus einem Angsthund ein Draufgänger oder einem totalen Energiebolzen ein Buddha wird. Aber ist der Mensch entspannt, ist es auch der tierische Mitbewohner. Oder auch umgekehrt. Wer hier wen erdet bleibt zu klären. Die Hypothese zur Gleichartigkeit lautet: Teils liegt das am Hund, der charakterlich zu einem passt, und teils färbt es eben auf den Menschen ab ab. Christine Holst