Wo jeder andere Zwei- wie Vierbeiner auf Abstand geht, zeigt Deutschlands bekanntester Zeckenforscher keine Angst vor Nähe. Er wollte wissen, wie widerstandsfähig sie wirklich sind und ob alles, was bisher von ihnen bekannt ist, der Wahrheit entspricht.

Wie lange und wo überleben die Blutsauger am längsten, und wie wirkungsvoll sind angebliche Geheimtipps? Werner Johansson stellt so manche Empfehlung infrage und vieles, was bisher über die Parasiten bekannt war, auf den Kopf. In den 80er-Jahren kam der ehemalige Informatiker nach Bayern – und damit mitten ins Zeckenhochgebiet.

Seit 2003 lassen ihn die gefürchteten Blutsauger nicht mehr los. Also zog er mit einem weißen Frotteehandtuch los und sammelte krabbelnde Probanden für seine Tests auf. Sie hatten kein leichtes Leben bei ihm. Sie wurden in den Ofen und die Mikrowelle gesteckt, gewaschen, eingefroren, in heißes Wasser getaucht und mussten in geschlossenen Leinensäckchen an unterschiedlichen Orten wie Schrank, Bett oder dem Auto oft wochenlang ausharren. Aber nur so kam Johansson zu den Erkenntnissen, die uns im Umgang mit ihnen wirklich weiterhelfen.

Die Gefahr einer Erkrankung ist hoch

„Bei uns sind Borreliose und FSME bekannt, aber Zecken können bis zu 100 Krankheiten übertragen, das wissen nur die wenigsten und es wird stark verharmlost. Auch in Bezug auf die Hunde“, erklärt der ehrenamtliche Forscher. Und hier ist der erste Mythos, mit dem er aufräumen will: „In Österreich wurde verbreitet, dass es eine allgemeine Zeckenimpfung gäbe. Das ist falsch, der Mensch kann sich ausschließlich gegen FSME impfen.“ Den Vierbeiner gegen Borreliose impfen zu lassen, ist ebenfalls umstritten, denn die Prophylaxe müsste eigentlich gegen spezifische Erreger erfolgen.

„Manche Zecken, die zuerst das Tier befallen, wechseln gerne den Wirt, wenn sie mit ins Haus oder die Wohnung gebracht werden. Beispielsweise, wenn ein Kind unter der Decke wärmer ist als Hund oder Katze“, erzählt Johansson. Der beste Schutz ist es, nach jedem Spaziergang sich selbst und den Hund gründlich abzusuchen sowie das Fell seines besten Freundes zu bürsten. Und natürlich dafür zu sorgen, dass die Blutsauger erst gar nicht zustechen. Am besten mit einem verträglichen, repellierenden Spot-on oder Spray.

Natürliche Mittel wirken bei jedem Vierbeiner anders, daher sollte sich der Halter mit den unterschiedlichen Produkten befassen. Tierärzte empfehlen eher die Chemiekeule, um auf Nummer Sicher zu gehen. „Es kommt immer darauf an, wie hoch der Befall ist. Letztendlich muss das jeder selbst entscheiden. Manche Arten sind mittlerweile schon gegen gewisse Stoffe immun“, so der Experte.

Zecken beim Hund: Zeckenforscher Werner Johansson klärt auf
Werner Johansson weiß alles über die Parasiten
© Johansson

Eine unerwünschte Beziehung mit einem Holzbock

Auf die Frage, wie er denn selbst zu den Zecken stehe, räumt Johansson ein ambivalentes Verhältnis ein. „Auf der einen Seite ist da die Faszination, nicht wirklich ein Ekel, aber ein gebührender Respekt, und dann gab`s auch schon einmal eine Art Beziehung.“ Mit einem Holzbock namens „Roadrunner“. „Mit dem habe ich als Erstes gemessen, wie schnell sich die Parasiten am Boden fortbewegen können.“

Besagter Holzbock schlug sich gut und wurde daraufhin zur Lieblingszecke seiner Gattung, denn auch alle anderen Bewährungsproben wie ein paar Minuten im Ofen bei 220°C, das Einfrieren bei -22°C in der Tiefkühltruhe oder einen Waschgang bei 40°C überlebte er. Eines Tages testete Johansson seinen Probanden auf dem Parkett-Boden, umgeben von einem hochgiftigen Abwehrmittel. Das setzte dem Roadrunner so sehr zu, er taumelte, fiel um, starb fast – und kroch am nächsten Morgen doch wieder aus seinem Gefäß. „Da habe ich gemerkt, wie glücklich ich darüber war, dass er überlebte. Anscheinend hatte ich anscheinend eine Beziehung zu ihm aufgebaut.“ Seitdem gibt der Forscher nie wieder einer Zecke einen Namen.

Was Zecken mögen und was sie abtötet

Feuchtigkeit und Schweiß zieht Zecken magisch an, so auch die Umgebung oder Kleidung des Menschen. Schwitzige Socken sind beispielsweise unglaublich verführerisch. Es reicht also nicht aus, sich im Sommer auf einem Spaziergang in der Natur mit langen Hosen und darübergezogenen Strümpfen zu schützen, ganz im Gegenteil macht es das für die Blutsauger eher einfacher, ihren Wirt zu erwischen. Selbst im Pool können sie auf der nassen Oberfläche treiben und sich dort an ihre Opfer klammern. Sie sind in der Lage bis zu vier Wochen unter Wasser zu überleben. Daher nützt es nichts, die abgesammelte Zecke im Klo oder Waschbecken zu entsorgen, sie kommt an anderer Stelle wieder heraus.

Zecken beim Hund: Das mögen Zecken besonders
Zecken lieben warme Orte
© Johansson

In trockener Umgebung fühlt sie sich schon weniger wohl und stirbt innerhalb von drei bis fünf Tagen ab. Vollgesogene adulte Weibchen aber, die nicht befruchtet werden, sind dem Tode geweiht, während sie befruchtet bis zu 4000 Eier abgeben. Was wirklich hilft, um den Parasiten sofort unschädlich zu machen, ist 60 Grad heißes Wasser. „Das bedeutet den Blitztod für sie. Danach empfehle ich, die Zecken zu sammeln und in ein geeignetes Labor einzuschicken, um ein sicheres Resultat zu bekommen“, rät Werner Johansson. So ist zumindest die Information da, was gerade im jeweiligen Gebiet los ist.

Blutsauger richtig entfernen

Die Entfernung der Lästlinge sollte schnell und präzise erfolgen, um das Übertragungsrisiko gefährlicher Erreger zu minimieren. Quetschen oder falsches Herausziehen, womöglich noch mehrere verzweifelte Versuche, versetzen die Zecke in Stress, und sie sondert in Todesangst ihren womöglich den gefährlichen Speichel in die Wunde ab. Zum Entfernen verwendet Johansson ausschließlich die schwedische Zeckenschlinge, die sich bisher am besten für ihn bewährt hat. Sobald es wieder möglich ist, freut sich der Forscher darauf, weiter Vorträge über sein Lieblingsthema Vorbeugung vor Zeckenkrankheiten geben zu können. Denn das ist es, was ihm besonders am Herzen liegt. Suzanne Eichel

Irrtümer und fragwürdige Methoden

 1. Zecken fallen nicht vom Baum: Das stimmt nicht, denn Larven aus Vogelnestern suchen Feuchtigkeit und lassen sich von dort herunterfallen..

2. Zecken sind blind: Sie besitzen Lichtsensoren und können Lichtveränderungen wahrnehmen, nutzen aber auch andere Sinnesorgane, um Kohlendioxid, Düfte, Wärmeausstrahlung sowie Bewegungen in der Vegetation von einem sich nähernden Opfer wahrzunehmen.

3. Beim Entfernen der Zecken ziehen, nicht drehen: Falsch, denn es gibt bisher kein wissenschaftliches Argument oder eine Studie, die das fachlich begründet. Nur das Drehen garantiert eine optimale Entfernung. Die Richtung ist egal. Zecken haben schließlich kein Gewinde, sondern Widerhaken, die sich beim Drehen leichter lösen.

4. Zecken sind im Winter nicht aktiv: Das trifft nicht zu, seit 2005 erfolgten drei bis vier Prozent aller Stiche im Winter und davon viele in der Wohnung oder im Haus. Zecken werden aktiv, wenn ihre Körpertemperatur circa 6°C übersteigt, egal ob im Sommer oder Winter. Bei Kälte verfallen sie lediglich in eine Starre, überleben aber z.B. tief in der Erde, in Tiernestern oder unter Baumrinden.

5. Helle Kleidung hält die Blutsauger ab:  Ganz im Gegenteil, denn die Parasiten sind nicht blind, sie nehmen Lichtveränderungen wahr. Laut einer schwedischen Studie werden sie von heller Kleidung eher angezogen als von dunkler. Daher empfiehlt es sich, gedeckte Töne zu tragen, auf denen die Zecke aber noch sichtbar ist.

6. Waschmaschinengang tötet Zecken ab: Ja, aber erst, sobald ihre Körpertemperatur 42°C übersteigt. Kleidung sollte in der Waschmaschine bei mindestens 50°C gewaschen werden. Eine Zecke, egal welcher Größe, stirbt sofort in 60°C heißem Wasser.

7. Zecken sind bei hohen Sommer-Temperaturen aktiv: Die Blutsauger ziehen sich eher zurück, wenn es zu heiß und trocken wird, und sind bei nassem Wetter umso aktiver. In zu trockener Umgebung und unter 80 Prozent Luftfeuchtigkeit sterben sie innerhalb von drei bis fünf Tagen, in feuchter dagegen können sie sogar ohne Blutmahlzeiten jahrelang problemlos überleben.

8. Im Ofen, Trockner, Gefriertruhe und Mikrowelle sterben Zecken sofort: Versuche zeigten aber, dass sie in einer dünnen Jägerjacke noch nach fünf Minuten im Ofen oder zwei Minuten in der Mikrowelle überlebten. Bei -22°C in der Tiefkühltruhe wurden sie über eine Stunde lang eingefroren und anschließend lebendig wieder aufgetaut. Nur im Trockner sterben sie relativ schnell.

9. Der beste Schutz ist die Bekleidung: Lange Hosen mit darüber gezogenen Socken reichen als Schutzkleidung nicht aus. Im Gegenteil, sie macht es der Zecke viel leichter, den Menschen zu erwischen. Sie kann sich am Schuh festkrallen und in Minuten das Bein nach oben bis zum Gürtel klettern. Auch lange Ärmel wehren sie nur Sekunden ab. Sie sucht, wenn es sein muss, sowieso stundenlang nach einem Einstieg und wird meist fündig.

 

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