Warum begreift der eine Hund schneller, während ein anderer schon bei der kleinsten Anforderung schwächelt oder der nächste im Spiel plötzlich außer sich gerät? Verhaltensexpertin Kate Kitchenham kennt sich mit der Gefühlswelt der Vierbeiner aus und erklärt, wie die sich auf deren Lernverhalten auswirkt. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Botenstoffe.
Hunde sind hochsoziale Wesen, die sich optimal an ihre Umgebung anpassen. Alle kommen mit einem ähnlichen Potenzial zur Welt. Ihre Denkfähigkeit, ihr soziales Wesen und ihre Stressresistenz werden dabei durch Erfahrungen und Erziehung geprägt. Sie saugen sozusagen alle Eindrücke aus ihrer Umwelt auf und entwickeln dabei ein individuelles Bild vom Leben – ob es toll oder gefährlich ist oder wie sie mit Menschen oder Artgenossen am besten kommunizieren.
Dabei vollbringt ihr Gehirn besonders im ersten Jahr wahre Höchstleistungen. „Dank ihrer angeborenen Fähigkeit können sie das Verhalten und die Kommunikationsform einer anderen Art lesen und verstehen“, erklärt Kate Kitchenham. Das funktioniert aber nicht nur von Mensch zu Hund, auch die Vierbeiner teilen uns mit, was sie möchten. Die sogenannten „Referencing Signals“ sorgen beispielsweise dafür, dass sie im leeren Napf kratzen, wenn sie Durst haben, oder zur Tür laufen, wenn die Blase drückt. „Wenn wir sie von Anfang an klug erziehen, lernen sie, sich besser mitzuteilen und mitzudenken“, weiß die Expertin. Einen wichtigen Einfluss haben die Botenstoffe auf das Lernverhalten der Vierbeiner.
Alles hängt neurobiologisch zusammen
Alles beginnt mit der Informationsaufnahme und -verarbeitung in ihrem Gehirn, das vom Grundaufbau dem unsrigen ähnelt. Hunde nehmen ihre Welt mit allen Sinnen wahr, machen Erfahrungen und speichern sie ab, besonders wenn diese an intensive Gefühle gekoppelt
sind. Ihr ausgeprägter Geruchssinn erschließt ihnen zusätzlich eine Vielzahl an Informationen, die uns verborgen bleibt. Hoch sind also nicht nur die Anforderungen, die wir an unseren besten Freund stellen, sondern auch die an die Umgebung, in der er sich zurechtfinden und die er quasi kartieren muss. Das gelingt aus Sicht von Kate Kitchenham am besten, wenn wir die hohe soziale Kompetenz der Vierbeiner nutzen, die unter den richtigen Voraussetzungen ihre Welt mit viel Neugierde und Spielfreude erkunden.
Spielerisch lernen ist toll
Das spielerische Lernen gehört unbedingt dazu und ist eher ein verborgener Prozess, der ganz nebenbei geschieht. Bei Impulskontrollspielen werden zum Beispiel im Gehirn stabile Verknüpfungen und Nervenfasern etabliert, die langfristig für wichtige Kompetenzen wie Zuverlässigkeit und eine gute Selbstbeherrschung, also Gelassenheit, sorgen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Tiere nicht nur freudig miteinander agieren, sondern das auch mit ihrem Halter üben können.
So speichern sie neue Bewegungsabläufe, Wörter, Handlungsketten besonders zügig ab. Im Hintergrund werden dabei Botenstoffe ausgeschüttet, die Emotionen und Erregungen jeglicher Art auslösen, steuern und einen großen Einfluss auf das Langzeitgedächtnis haben. Sie wirken wie Katalysatoren auf das Verstehen einer neuen Aufgabe und der Gedächtnisleistung, aktiviert durch das innige Zusammensein mit ihrem Halter oder eben durch eine spielerische Interaktion.
Die Botenstoffe und ihre Wirkung
Alle Botenstoffe hängen unmittelbar miteinander zusammen. Da wäre das Serotonin, das für Gelassenheit steht und ein Barometer für die Impulskontrolle ist. In Alltag wie Training hat es eine große Bedeutung und wird gebildet, wenn Zappelphilippe lernen, sich stets aufs Neue zusammenzureißen, oder ungeduldige Pfoten auf ihre Belohnung warten müssen.
Dopamin sorgt in der richtigen Dosis für Spaß am Studieren. Einige Rassen neigen dazu im Dopaminrausch alles um sich herum zu vergessen. Die berühmten Balljunkies sind ein Beispiel dafür.
Eine leichte Prise Cortisol ist ein toller Teampartner für das Dopamin. Es erhöht die Aufmerksamkeit und macht offen für neue Lernerfahrungen. Allerdings schlägt es bei ständiger Überforderung ins Gegenteil um und wirkt dann wie eine Lernbremse.
Oxytocin dagegen ist das Glückshormon. Allein durch unsere Zuneigungsbeweise aktiviert sich dieser Botenstoff, der offener und aufnahmefähiger für das Leben macht. Lange Blicke oder Streicheln führen beim innigen Zusammensein zu einem wahren Gefühlsrausch, der die Bindung stärkt.
Gemeinsame Erlebnisse und Erfolge schütten Endorphin aus. Triumphe wie in sozialen Auseinandersetzungen stehen dagegen ganz im Zeichen des Testosterons. Vierbeiner mit Freude am Gewinnen haben dadurch einen erhöhten Testosteronspiegel, aber weniger
Endorphin im Blut. Die Zündschnur wird immer kürzer, sie entwickeln sich dann eher zu Raufbolden auf der Wiese.
Das Wechselspiel der Gefühle
Wenn Hunde miteinander spielen, ist das meist von einem Wechsel aus Bewegung und Anspannung gekennzeichnet. Sie rennen über die Wiese, stoppen plötzlich, taxieren, wie ihr Spielpartner gestimmt ist, und spielen weiter. Dabei finden im Wechsel Ausschüttungen von Botenstoffen statt, die bei erfolgreichem Verhalten neue Nervenverbindungen bilden.
Die Expertin rät, genau diesen Wechsel aus Bewegung und Innehalten in ein abwechslungsreiches, kreatives Impulskontrollspiel einzubauen und nebenbei noch weitere Kompetenzen zu festigen. So lernen Hunde gerne und schnell, sich zusammenzureißen und sitzen zu bleiben – auch wenn etwas gerade sehr aufregend ist.
Die Gefühlswelt der Hunde wird wie unsere also aus Erfahrungen und Botenstoffen gesteuert. Emotionen in aufregenden Situationen wirken wie D-Züge ins Langzeitgedächtnis und haben dadurch großen Einfluss auf Lernverhalten und Gedächtnis. Für die Intelligenz und Flexibilität ist daher das freie soziale Spiel mit Artgenossen so wichtig. In der Interaktion mit dem Menschen steht der Spaß im Vordergrund. Und ganz nebenbei verfestigen sich wichtige Kompetenzen für ein glückliches Hundeleben. Suzanne Eichel