Wenn das Telefon klingelt oder wir unsere Hunde ansprechen, neigen
sie aufmerksam ihren Kopf. Das finden wir entzückend, aber warum zeigen
sie dieses Verhalten eigentlich? Bisher gibt es darauf keine eindeutige
Antwort, aber so einige spannende Theorien.

Wenn ich zu meiner Hündin „Jetzt gehen wir Gassi!“ sage, dann passiert immer das Gleiche: Sie senkt den Kopf nach rechts, lauscht aufmerksam meinen Worten. „Wir treffen uns mit Porthos und laufen am Kanal entlang“, erzähle ich weiter, um es spannender zu gestalten. Rosa dreht den Kopf noch weiter in eine Richtung, spitzt das linke Ohr. In dem Moment bin
ich nicht nur hingerissen von ihrersüßen Pose, ich bin ganz sicher, sie versteht mich. Aber ist das wirklich so?

Was denkt Bello jetzt wohl? ©Eva Blanco/adobe stock

Die erste Studie zu diesem Thema haben Verhaltensforscher der Budapester Eötvös-Loránd-Universität im Fachblatt Animal Cognition veröffentlicht. Andrea Sommese, Hauptautor und
Forscher für Tierkognition, beschreibt als Ausgangspunkt der Untersuchungen eine Beobachtung, die er beim Menschen gemacht hat. Wenn wir unseren Kopf zur Seite neigen, erinnern wir uns an eine Geschichte. Es entsteht ein geistiges Bild vor unserem inneren Auge. Daraus abgeleitet vermutet Sommese: Auch Hunde beugen ihren Kopf, wenn sie vertraute Wörter erkennen und im Gehirn verarbeiten, wenn also ein Kopfkino abläuft.

Superhirne auf vier Pfoten erforscht

Um das herauszufinden, untersuchten die Forschenden Vierbeiner mit Superhirnen, die sich die Namen vieler Spielzeuge einprägen können. Für die meisten ihrer Artgenossen ist diese Aufgabe eine Überforderung. Als die Forscher nun den Namen eines im Prinzip bekannten Spielzeugs nannten, neigten 43 Prozent der besonders intelligenten Probanden ihren Kopf, von den Normalos taten das nur zwei Prozent. Dabei war es für die Intelligenzbestien
unter den Hunden völlig egal, wo sich ihre Halter im Raum befanden und von wo aus sie das
Kommando gaben. Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Sie versuchen nicht, die
Stimme zu orten, sondern den Ton zu verarbeiten und mit einem Bild zu verknüpfen. Dass
bei den normal begabten Vierbeinern nichts geschah, liegt wohl daran, dass sie eben keine Erinnerung abrufen können.

Bei hoch relevanten Schlüsselwörtern wie „Gassi“ oder „Leckerchen“ klappt das aber auch bei ihnen. Sie verbinden die Wörter mit freudigen Erinnerungen. Bleibt die Frage, warum es ihnen wie uns helfen könnte, den Kopf zur Seite zu neigen? Genau erklären kann das bis heute niemand.

Das große Rätsel des Gehirns

Denn noch immer ist die Funktion des Gehirns ein großes Rätsel. Es wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Bereiche des Großhirns unterschiedliche Aufgaben haben. Das Sprachzentrum des Menschen befindet sich in der linken Hirnhälfte, und in diesem Bereich
sind auch die Areale, die für das Gedächtnis verantwortlich sind. Es könnte also sein, dass wir unseren Kopf nach links neigen, um die Hirnflüsse beim Erinnern zu aktivieren.

Eine Studie, die 2016 in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde, wies nach, dass Hunde unsere Sprache in der rechten Hirnhälfte verarbeiten. Neigt Rosa deshalb
den Kopf nach rechts, wenn sie versucht, Worte zuzuordnen? Die Suche nach einer Erklärung
bleibt spannend.

Hunde scannen unser Gesicht

Psychologe Stanley Coren von der University of British Columbia in Vancouver gründete seine Forschung darauf, dass Hunde ständig unser Gesicht scannen, um Informationen über unseren emotionalen Zustand abzulesen.

Hunde beobachten uns ständig ©Boros/adobe stock

Er vermutete, dass sie den Kopf neigen, um unsere Gesichter besser zu sehen. Bei einer Online- Befragung unter 582 Hundehaltern gaben 62 Prozent an, dass ihr Vierbeiner häufig den Kopf schräg legt, wenn sie mit ihm sprechen. Rassen mit großer Schnauze kommen sogar auf stolze 71 Prozent, während Mops, Boston Terrier, Pekinese und Co. nur 52 Prozent erreichen. „Dies ist ein statistisch signifikanter Unterschied, der eindeutig darauf schließen lässt, dass die Kopfform und die Größe der Schnauze die Kopfneigung von Hunden beeinflussen“, erklärt Stanley Coren.

Es gibt noch eine dritte Erklärung: Unsere Hunde haben gelernt, dass wir es süß finden,
wenn sie uns schräg von unten angucken. Sie wissen, dass wir sie dann loben, sie kuscheln oder ihnen ein zusätzliches Leckerli zustecken. Ist alles letztendlich doch nur ein rein
opportunistisches Verhalten?

Jana Krone

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