Sehen, hören, riechen, schmecken, tasten, dabei die Temperatur wahrnehmen und mit jeder Faser des Körpers die Umgebung erspüren. Für unsere Hunde sind diese Sinne elementar und erklären, warum sie so gute Jäger sind. Wer dies respektiert, lernt seinen Vierbeiner besser zu verstehen und mit ihm umzugehen, wenn der Jagdtrieb ihn packt.

Hunde sind von der Natur mit einem fantastischen Wahrnehmungsvermögen ausgestattet. Sie haben einen sehr gut ausgebildeten Geruchssinn, sie können Geräusche orten, die wir als Mensch nicht erfassen, und sie bemerken jede kleinste Bewegung aus den Augenwinkeln
heraus. Diese Fähigkeiten sind uns in vielerlei Hinsicht nützlich. Sei es auf der Jagd, bei der Polizei- oder in der Rettungshundearbeit, aber auch in der Freizeit beim Apportieren oder der Fährtensuche. Allerdings sind die Vierbeiner nicht nur in ihrem „Job“ mit all ihren Sinnen
unterwegs, sondern gleichermaßen auf jedem Spaziergang. Stoßen sie dort auf eine interessante Spur, können sie nicht anders als diese zielgerichtet zu verfolgen.

Wie der Hund Beute wahrnimmt

Im Richtungshören sind die Vierbeiner sehr zielsicher. Während wir zwei Geräusche noch in einem 20-Grad-Winkel auseinanderhalten können, schaffen unsere Hunde das in einem Bereich von sieben bis acht Grad. Unterwegs nehmen die Spürnasen jede kleinste Bewegung wahr. Das Wippen eines Astes, auf dem sich gerade ein Vogel zum Flug abgehoben hat, das Huschen eines Kaninchens, das noch schnell in den Bau flüchtet, oder das Rascheln der Grashalme, das der Fuchs, der eben noch am Wegesrand lauerte, verursacht. Bewegt sich das Reh allerdings nicht und bleibt stocksteif stehen, so wird es von unseren vierbeinigen Freunden oft nicht bemerkt.

Die Welt im Kopf des jagenden Hundes
Hunde lesen die Spuren mit allen Sinnen

Hunde haben ein viel größeres Gesichtsfeld als wir. Sie nehmen in einem Radius von rund 250 Grad Bewegungen wahr. Wie genau, das hängt von der Form des Kopfes, der Ohren und der Länge des Fells ab. Je schmaler der Kopf, je spitzer die Ohren und kürzer das Fell, desto besser der Rundumblick auf ihre Umgebung. Dazu kommt noch ein „Restlichtverstärker“ in ihren Augen. Das Tapetum lucidum fängt in der Dämmerung das verbleibende Licht auf und verstärkt es. So werden die Beutegreifer zu hervorragenden Dämmerungsjägern. Eine großartige Leistung vollbringt die Nase unseres besten Freundes. Das liegt unter anderem an der Größe seines Riechfeldes und der Anzahl der Riechzellen.  Als sogenannte Makrosmaten definieren und beurteilen sie ihre Umwelt größtenteils über ihr Schnupperorgan.

Halter sollten das Jagdverhalten verstehen lernen

Das Jagdverhalten gehört eindeutig zu dem „stoffwechselbedingten Verhalten“. Das bedeutet: Jagen dient der Nahrungssicherung und ist damit sowohl lebens- als auch arterhaltend für den Hund. Die Natur hat das ganz clever eingefädelt, denn während des Jagens schüttet der
Körper Hormone aus, macht es quasi zu einer selbstbelohnenden Handlung. Es geht dabei nicht vordergründig um die Beute, sondern allein um das Hinterherhetzen und Verfolgen. Deshalb kann kein Hund dem widerstehen.

Die Welt im Kopf des jagenden Hundes
Vor dem Verstehen kommt das Beobachten

Die Hormone erhöhen den Spaßfaktor, schalten das Schmerzempfinden, Hunger- und Durstgefühl aus. Alles ist nur auf die Beute ausgerichtet, die Umwelt wird kaum noch wahrgenommen – für uns ist das Tier dann so gut wie unerreichbar. Die Hormonausschüttung hat außerdem einen weiteren Effekt: Die Vierbeiner lernen dadurch schneller als sonst und haben folglich eine zweifache Motivation: „Jagen macht satt und zugleich Spaß!“ Und dagegen haben wir Halter fast keine Chance – oder doch?

Das sind die motivierende Faktoren

Hunde reagieren auf schnelle Bewegungen, bestimmte Gerüche oder Geräusche. Insbesondere jagdlich ambitionierte Schnauzen sind für adäquate Reize, die eine Jagdauslösen können, jederzeit empfänglich. Sie gehen mit allen Sinnen durch die Welt, mit hoher und tiefer Nase, offenen Ohren und Augen, auf der Suche nach dem passenden Anreiz. Für einen Sichtjäger ist ein davonlaufender Hase, eine Bewegung am Waldrand oder ein umherhüpfendes Eichhörnchen Grund genug, um die Verfolgung aufzunehmen. Hunde indes, die stark auf Geräusche ausgerichtet sind, können durch das Piepen einer Maus oder das Schnattern einer Ente in Wallung geraten. Ein Nasenjäger braucht nur die Spur eines Rehes zu erschnüffeln, und schon hat er nichts anderes mehr im Sinn, als diese aufzunehmen.

Ist der Hund auf den auslösenden Reiz getroffen, beginnt ein angeborenes Muster abzulaufen. Es ist von der Natur bereits angelegt und wird durch Lernen verfeinert. Im Hinblick auf das Jagdverhalten kann das sein: Fixieren, Hetzen, Packen und Töten. Welches davon der jeweilige Hund an den Tag legt, hängt größtenteils von seiner genetischen Veranlagung ab. Je nach Rassezugehörigkeit wurden bestimmte gewünschte Verhaltensweisen durch eine selektive Zucht weiter gefördert und Fähigkeiten ausgebaut. Doch neben der genetischen Veranlagung spielen auch die Erfahrungen des Hundes eine nicht unwesentliche Rolle, inwieweit wir uns gegen Kaninchen und Co. behaupten können.

Die richtigen Freiräume schaffen

Um eine Idee davon zu bekommen, welche Jagdstrategie unser Hund verfolgt, sollten wir uns einmal genauer mit seiner Herkunft beschäftigen. Sprich, mit der Rasse und dem dadurch zu erwartenden Verhalten. Das ist relativ einfach, wenn das Tier reinrassig ist, bei Mischlingen
etwas schwieriger. Wer solche vielfältigen Talente besitzt, setzt sie natürlich auch draußen ein. Wir haben das Jagdverhalten nicht in den Hund hineingepackt und werden es auch nicht herausholen können. Indem wir vorausschauend spazieren gehen und die Freiräume für unseren besten Freund entsprechend gestalten, ist es aber möglich, dafür zu sorgen, dass er ansprechbar bleibt, wir nötigenfalls handeln und ihn in jeder Situation stoppen können.

Die Welt im Kopf des jagenden Hundes
Was löst den Reiz des Beutegreifers wohl aus?

Der fellige Gefährte soll auf den Waldwegen bleiben, aber nicht im Unterholz herumstromern. Als Jägerin und Jagdhundehalterin erkenne ich genau, was in seinem motivierten Kopf los ist. Beispielsweise zeigt er einen Wildwechsel mit einem kurzen Verharren an. Nun geht es aber darum, dieses nicht zu unterbinden, sondern es auszubauen. Für das Anzeigen wird er belohnt und das Verhalten verlängert. So bekommen die Halter immer mit, wenn ein Waldbewohner den Weg gekreuzt hat. Der Hund wird für sein Talent belohnt, und
dann wird die Route ganz entspannt fortgesetzt.

Positive Erfolge schaffen Ablenkung

Und sie ist ausbaufähig: Hin und wieder verliert die Halterin ein kleines Dummy, der Schlüssel fällt aus der Tasche oder das Hustenbonbonpapier segelt zu Boden. Bello meint dann, es wäre ganz gut wäre, auf Frauchen aufzupassen, da sie ja ständig etwas verliert und ihr alles hinterhergetragen werden muss. Das fördert sein „Dranbleiben“, er verändert seinen Fokus
und hat so auch die Möglichkeit, das ein oder andere Goodie abzugreifen. Mit professioneller Hilfe kann ein gezieltes Training aufgebaut werden. Nicole Lützenkirchen

Zur Person
Nicole Lützenkirchen ist Jägerin aus Überzeugung. Eine zeitgemäße Einstellung zur Jagd im Hinblick auf den Respekt vor der Natur, dem Wild und dem Menschen ist ihr sehr wichtig. Sie bildet Familien- und Jagdhunde aus und gibt Kurse, Seminare und Workshops für Jäger und
Hundehalter. Interessierte können auch den Mein-Wildfang-Onlinekurs buchen. Hier lernen sie die Sinne für die Waldbewohner zu schärfen und mit einem anderen Blick durch Wald und Feld
zu laufen. Außerdem werden sie ihren Hund besser verstehen können und eine Idee davon bekommen, was in seinem Kopf vorgeht. https://mein-wildfang.de

 

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